ATD Vierte Welt
ATD (Alle gemeinsam in Würde) Vierte Welt
ATD (Alle gemeinsam in Würde) Vierte Welt ist eine internationale Solidaritätsbewegung.
Wir arbeiten mit und im direkten Austausch mit den am stärksten von Ausgrenzung betroffenen Familien weltweit. Gegründet wurde ATD Vierte Welt 1957 von Vater Joseph Wresinski. Heute bringt die Bewegung Menschen aus allen Kulturen und sozialen Schichten zusammen und ist in über 30 Ländern aktiv.
ATD Vierte Welt ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die weder religiös noch politisch gebunden ist. Wir stehen an der Seite von Menschen in Armut und arbeiten gemeinsam mit ihnen. Wir sind überzeugt, dass eine Welt ohne Armut möglich ist.
Forschungsergebnisse zu den verborgenen Dimensionen der Armut
Lesen Sie die Forschungsergebnisse von ATD Vierte Welt und der Universität Oxford zu den Verborgenen Dimensionen der Armut.
Es gibt viele Definitionen von Armut – diese hängen stets vom Blickwinkel derjenigen ab, die sie formulieren. Im Laufe der Jahrhunderte wurde Armut aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet:
- Religiös: Die Armen als Verkörperung Gottes;
- Moralisch: Die Armen sind selbst schuld an ihrer Misslage;
- Politisch: Die Armen als Opfer eines ausbeuterischen Systems;
und viele mehr.
ATD Vierte Welt verfolgt das Ziel, die Sichtweisen von Menschen und Bevölkerungsgruppen in extremer Armut, bezogen auf die Realität ihres Alltags sichtbar und verständlich zu machen.
Dabei geht es nicht nur um die Beschreibung der Lebensbedingungen, sondern auch darum, wie diese Menschen ihre Situation empfinden und welche Erklärungen sie selbst dafür finden.
Aus dieser forschungsbasierten Annäherung an die Lebenswirklichkeit armutsbetroffener Menschen entwickelte sich die Definition von Armut, die Joseph Wresinski dem Wirtschafts- und Sozialrat Frankreichs vorschlug. Diese Definition wurde später auch von Leandro Despouy in seinem UN-Bericht über extreme Armut und Menschenrechte aufgegriffen:
Wir brauchen deine Unterstützung
„Ein Mangel an grundlegender Sicherheit bedeutet das Fehlen eines oder mehrerer Faktoren, die es Einzelpersonen und Familien ermöglichen, grundlegende Verantwortungen wahrzunehmen und grundlegende Rechte wahrzunehmen. Eine solche Situation kann sich ausweiten und schwerwiegendere, dauerhafte Folgen haben. Der Mangel an grundlegender Sicherheit führt zu chronischer Armut, wenn mehrere Lebensbereiche gleichzeitig betroffen sind, wenn die Situation über längere Zeit andauert und wenn sie die Chancen der Betroffenen stark einschränkt, ihre Rechte zurückzuerlangen und ihre Verantwortung in absehbarer Zeit wieder wahrnehmen zu können.“
(10. und 11. Februar 1987)
Unsere Arbeit lebt vom Engagement und den Fähigkeiten von Menschen, die sich gemeinsam mit uns für eine Welt ohne extreme Armut einsetzen.
Hier kannst du konkret helfen:
- Unsere Artikel redigieren (Kontakt: )
- Deine Begeisterung für Bücher, Wissenschaft oder Kreativität in einer Straßenbibliothek oder bei einem Festival des Lernens teilen
- An Jugend-Bauprojekten teilnehmen
- Bei einer Volksuniversität der Vierten Welt mitwirken
- Im Büro unterstützen (z. B. beim Transkribieren, Archivieren usw.)
- Kreativ-Workshops in Schreiben, Musik oder Kunst leiten
- Du hast Erfahrung mit Übersetzungen? Wir suchen besonders für folgende Sprachkombinationen: EN>FR, ES>FR und EN>ES (Kontakt: )
Jede Person, die sich engagiert, schenkt Hoffnung – jenen, die täglich mit Armut und Ausgrenzung leben. Ob du bei einer Veranstaltung fotografierst, einen Schreibworkshop leitest, obdachlosen Familien rechtliche Beratung anbietest oder Texte übersetzt – deine Fähigkeiten können einen echten Unterschied machen.
Du möchtest wissen, wie du dich einbringen kannst oder hast eigene Ideen?
Dann melde dich bei dem ATD-Vierte-Welt-Team in deiner Nähe – oder schreib uns direkt.
Die verborgenen Dimensionen der Armut
Armut ist multidimensional
Was wissen wir wirklich über Armut?
Armut ist nicht nur ein Mangel an Geld – Armut ist ist multidimensional. Sie betrifft alle Lebensbereiche: von der psychischen und physischen Gesundheit bis hin zu familiären und sozialen Beziehungen.
Das wahre Gesicht der Armut: Forschung von ATD Vierte Welt
ATD Vierte Welt hat in Partnerschaft mit der Universität Oxford ein internationales partizipatives Forschungsprojekt durchgeführt: „Die verborgenen Dimensionen der Armut“. Das Projekt wurde über einen Zeitraum von drei Jahren in sechs Ländern durchgeführt: Bangladesch, Bolivien, Frankreich, Tansania, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten.
Menschen mit Armutserfahrung, Wissenschaftler*innen und Fachkräfte haben gemeinsam das Projekt konzipiert, die Forschung durchgeführt und die Daten ausgewertet – und so eine umfassendere Sicht auf dieses komplexe Thema ermöglicht.
Gemeinsam einigten sie sich auf neun Dimensionen, die Armut definieren:

Ohnmacht: Ein Mangel an Kontrolle und Abhängigkeit von anderen sind das Resultat aus stark eingeschränkten Handlungsspielräumen. Armut wird als Kontrollverlust erlebt. Optionen und Entscheidungen sind durch Lebensumstände und institutionelle Strukturen begrenzt. Menschen in Armut haben kaum Spielraum für Fehler. Armut kann Gehorsam und erzwungene Abhängigkeit bedeuten – ein Verlust von Würde und Entmenschlichung. Eingeschränkte Kontrolle und mangelnde Wahlmöglichkeiten erhöhen Risiken und verringern die Chancen, der Armut zu entkommen, während Gefühle von Unsicherheit und Angst wachsen.
Leiden an Körper, Geist und Herz: In Armut zu erleben bedeutet, intensives körperliches, geistiges und emotionales Leid zu erfahren – verbunden mit dem Gefühl, nichts dagegen tun zu können.
Armut verkürzt Leben, indem sie körperliche und geistige Gesundheit durch schlechte Wohnverhältnisse, unzureichende Ernährung und den täglichen Überlebenskampf untergräbt. Viele Menschen in Armut haben keinen Zugang zu gesunder Ernährung oder leben in verschmutzten Umgebungen und können keine gesundheitliche Vorsorge betreiben. Mangelernährung und Übergewicht können gleichzeitig auftreten. Schlechte Gesundheit, verursacht durch viele Entbehrungen, hinterlässt körperliche und emotionale Spuren.
Kampf und Widerstand: Es gibt einen andauernden Überlebenskampf, der auch den Widerstand gegen die zahlreichen Auswirkungen von Entbehrung, Missbrauch und mangelnder Anerkennung bedeutet.
Kampf und Widerstand sind eng miteinander verbunden in dem Versuch, zu überleben, innere Balance zu finden und sich selbst – besonders den eigenen Kindern – ein besseres Leben zu ermöglichen. Dieser Kampf äußert sich auf unterschiedliche Weise, bleibt aber für einen Großteil der Gesellschaft oft unsichtbar.
Institutionelle Missachtung: Bedeutet das Versagen nationaler und internationaler Institutionen, die durch ihr Handeln oder ihre Untätigkeit nicht angemessen und respektvoll auf die Bedürfnisse und Lebensumstände von Menschen in Armut zu reagieren und diese Menschen dadurch ignorieren, demütigen und zu benachteiligen.
Formelle Institutionen – ob öffentlich oder privat – prägen das negative Erleben von Armut durch öffentliche Diskurse, politische Maßnahmen und Dienstleistungsangebote, aber auch durch Ignoranz und mangelndes Zuhören. Obwohl manche Institutionen beauftragt sind, Armut zu bekämpfen, scheitern sie häufig daran. Das bedeutet auch, mit den Folgen von Korruption, mangelnder Umsetzung von Gesetzen und ungleicher Ressourcenverteilung leben zu müssen – und keinen Zugang zu Gerechtigkeit zu haben.
Soziale Missachtung: Beschreibt, wie Menschen in Armut von anderen Individuen oder Gruppen negativ wahrgenommen und schlecht behandelt werden.
Das Verhalten der Öffentlichkeit ist oft geprägt von Vorurteilen, Stigmatisierung und Schuldzuweisungen. Menschen in Armut werden häufig ignoriert oder ausgeschlossen. Als „Andere“ angesehen zu werden oder gemacht zu werden („Wir sind nicht wie die“) ist weit verbreitet – manchmal absichtlich, oft aber unbewusst und nicht selten aus mangelndem Verständnis für Armut.
Nicht anerkannte Beiträge: Das Wissen und die Fähigkeiten von Menschen in Armut werden selten gesehen, anerkannt oder wertgeschätzt. Oft wird ihnen einzeln wie kollektiv fälschlicherweise Inkompetenz unterstellt.
Viele Menschen in Armut zeigen großen Einfallsreichtum – sie schaffen Güter oder bieten Leistungen an, die über das Erwartete hinausgehen. Trotz widrigster Umstände übernehmen sie Verantwortung, unterstützen andere und leisten bedeutende wirtschaftliche und soziale Beiträge. Doch diese Beiträge werden von der Gesellschaft meist ignoriert oder gleichgültig hingenommen, sodass die Betroffenen selbst ihr Wissen und ihre Kompetenzen unterschätzen.
Fehlender Zugang zu menschenwürdiger Arbeit: Bezieht sich auf die weit verbreitete Erfahrung, keinen Zugang zu sicherer, fair bezahlter, regulierter und würdevoller Arbeit zu haben.
Viele Menschen in Armut beginnen bereits in jungen Jahren zu arbeiten und erleben von Anfang an Ausbeutung, Missachtung und Demütigung. Würdevolle Beschäftigung ist selten, weshalb viele gezwungen sind, gesundheitsschädliche oder unsichere Arbeit anzunehmen, die ihre Lebensperspektiven nicht verbessert. Solche Arbeitsplätze sind meist unreguliert, nicht gewerkschaftlich organisiert und machen Menschen anfällig für Ausbeutung – bis hin zu sexueller Gewalt oder willkürlicher Entlassung ohne Bezahlung.
Unzureichendes und unsicheres Einkommen: Bezieht sich auf ein Einkommen, das nicht ausreicht, um Grundbedürfnisse und soziale Verpflichtungen zu erfüllen, familiäre Harmonie zu wahren oder angemessene Lebensbedingungen zu ermöglichen.
Ohne ausreichend Geld geraten Menschen oft in Schulden, um das Nötigste zu sichern und werden dadurch noch abhängiger und anfälliger für Ausbeutung. Manchmal sind die Einkommen der Erwachsenen so niedrig, dass Kinder arbeiten müssen, um die Familie zu unterstützen – mit gesundheitlichen Risiken und Gefährdung durch Missbrauch.
Materielle und soziale Entbehrung: Bezieht sich auf fehlenden Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die notwendig sind, um ein menschenwürdiges Leben zu führen und vollständig an der Gesellschaft teilzuhaben.
Dazu gehören: ausreichend nahrhafte Lebensmittel; angemessene Kleidung; bezahlbarer Wohnraum mit guter sanitären Ausstattung, sauberem Wasser, zuverlässiger Energieversorgung, Sicherheit und Privatsphäre; diskriminierungsfreie Bildung in gut ausgestatteten Schulen; bezahlbare und zugängliche Gesundheits- und Zahnversorgung; funktionierender öffentlicher Verkehr; sowie eine zumutbare Umgebung. Ohne Zugang zu diesen Ressourcen können Einzelne, Familien und Gemeinschaften ihre täglichen Bedürfnisse nicht decken, nicht in Würde leben oder Zeit für persönliche oder familiäre Entwicklung aufbringen. Kindern wird so die Möglichkeit verwehrt, sich gesund zu entwickeln.
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